[ How we see, is what we see. ]

[ How we see, is what we see. ]

Ich erinnere mich an meine ersten Handgriffe.

 

Die koryphäenhafte Souveränität meines ersten chirurgischen Lehrers ragte darüber in ihrer geschliffenen Brillanz an virtuoser Fingerfertigkeit vor mir auf, erschütterte mich in Mut, Anmut und Selbstverständlichkeit und erschien mir schlichtweg unerreichbar.
Damals.

 

Heute, zwanzig Jahre danach, blicke ich mit einem verzeihlichen Lächeln auf diese Periode ehrgeiziger Strebsamkeit und kann behaupten, dass sich der messerscharfe Blickwinkel auf die Operationsfelder von damals übergangslos zu einem wissenden Schauen geweitet, gewandelt, gewissermaßen tiefengeschärft hat.

Meine Erfahrungen haben mich auf einen Weg des Schauens, besser HinSchauens, geführt, mit dem ich, nun ja, fast zufrieden bin.

 

Als Arzt oder vielleicht gerade als Repräsentant jener besonderen Daseinsform des ästhetisch-plastisch-rekonstruktiven Chirurgen ist man ja fast verpflichtender Maßen nie zufrieden. Ich fürchte, dass diese Unruhe das essentielle Drehmoment zu fortwährender Weiterentwicklung ist.

 

Im Angesicht unzähliger Gesichter (inmitten meiner Gesichts-Ordination) findet man sich nun als Arzt in einem besonderen „Fluidum“ menschlichen Begegnens wieder.
Davon kann ich wohl viele Gesichtsgeschichten zwischen Wien und Westafrika, zwischen Not und Bedürftigkeit erzählen.
(Und werde dies hinkünftig in diesem Erzählungsraum so schön-und-gut tun, wie es mir nur möglich ist.)

 

Wissen.
So sehr ich mich in den letzten Jahren auf den Rat eines weisen Mannes hin immer wieder in der Kunst des „In-die-Luft-Schauens“ übe, so weiß ich doch (mit Gewissheit förmlich): erst der wissend Sehende weiß, worauf zu schauen ist: Kann sehen, was er sieht.
Und auch ich weiß das:
(ein im Erblinden begriffener Herzensfreund, ein bildender Künstler noch dazu, hat es in mir auf berührende Weise zur Gewissheit werden lassen):
Dass nämlich auf diese Weise aus einem Blinden ein Sehender werden könne.

 

Und
dennoch, liebe Unruh´ (schön und gut), Du bleibst bei mir, (bitte bleib´ bei mir!), weiß ich doch als ein in der Fingerfertigkeit des wissenden Schauens Übender um jene Beschränktheit in der Wahrnehmung der Welt um uns, all der Gesichter, in denen uns das Leben unter die Augen treten will, bescheid –

 

Wir sehen die Dinge vielweniger wie diese selbst,
sondern vielmehr wie wir selbst sind.

* * *

(Dieser Eingangsbeitrag schien mir gleichsam als Vorwort zu all dem hinkünftig hier Veröffentlichten angebracht, geeignet oder vielmehr:
Schön und gut.)

Am Roten Meer, im April 2019